Dieses Bild groß (71 kB)
Gisela Trosbach
Physikalische Untersuchungen an historischen Tapisserien
TU München, April 2002
Aufbau zur Verformungsmessung an einer Tapisserie
Die Tapisserie der Generalstab mit den Bezugspunkten für die Verformungsmessung

Gisela Trosbach

Physikalische Untersuchungen an historischen Tapisserien

Zusammenfassung
Inhaltsangabe Dieser Text als PDF
Tapisserien sind bei Lagerung und Ausstellung vielfältigen Gefahren ausgesetzt. Schädlinge, Lichteinwirkung und Klimabedingungen können zu irreversiblen Schäden an den Objekten f ühren. Mechanische Kräfte verursachen Verformungen, die auch irreversibel sein können. In der Textilrestaurierung und im Ausstellungsbereich werden verschiedene Konservierungsmethoden angewandt, um Schäden zu vermeiden.

Ziel dieser Arbeit ist es, grundlegende Aussagen über das Materialverhalten von Tapisseriegeweben und über die aus der Hängung der Objekte resultierenden Schäden zu gewinnen. Auf dieser Grundlage kann eine Beurteilung spezieller Konservierungsmethoden, insbesondere der Hinterfütterung und Schräghängung, von Tapisserien erfolgen.

Kraft-Dehnungs-Diagramme von 66 Proben zeigen, daß ein Bruch des Gewebes im allgemeinen erst bei sehr hohen Spannungen von 5000 N/m auftritt . Dagegen öffnen sich Schlitzverbindungen schon bei wesentlich geringeren Spannungen von 1500 N/m. Beide Werte liegen aber weit über der Belastung, die durch das Eigengewicht einer aufgehängten Tapisserie erreicht wird. Diese Ergebnisse bestätigen Messungen von Bilson et al. [bil97].

Allerdings können aus Kraft-Dehnungs-Messungen keine Schlüsse auf viskoelastisches Dehnungsverhalten gezogen werden. Dazu sind z.B. Retardationsmessungen nötig, die im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls durchgeführt wurden. Sie erlauben Aussagen über eventuelle Langzeit-Schäden der ausgestellten Tapisserien. Es zeigt sich, daß das Verhalten der Proben bei den Retardationsmessungen stark von den vorhandenen Schlitzverbindungen beeinflußt wird. Eine Probe ohne Schlitzverbindungen zeigte eine sehr geringe Dehnung unter der gr ößten anzunehmenden Belastung und relaxierte nach Entlastung vollständig auf die Ausgangslänge zurück.

Um Aussagen zum Verhalten von Originalobjekten zu gewinnen, wurden Tapisserien mit optischen Methoden unter stabilen Klimabedingungen im aufgehängten Zustand überwacht . Messungen mit einem Theodoliten an einer hinterfütterten Tapisserie zeigten, daß nur geringe Verformungen auftraten. Auch eine ungefütterte Tapisserie zeigte überraschend geringe Längenänderungen. Über einen Zeitraum von 3 Wochen wurden die Änderungen stetig kleiner und kamen schließlich an der überwiegenden Zahl der Meßpunkte zum Stillstand. Dies entspricht dem bei den Retardationsmessungen festgestellten Verhalten.

Weiterhin wurde die Anwendbarkeit einer interferometrischen Methode (ESPI) auf Verformungsmessungen erfolgreich geprüft. Damit können Verformungen bereits im um-Bereich nachgewiesen werden. Diese Methode würde sich z.B. f ür eine genauere Untersuchung des Einflusses von Stützlinien eignen.

Zur Beurteilung der Aufhängetechniken wurden Reibungskoeffizienten typischer Materialien bestimmt. Ziel ist die Reduzierung der Zugkräfte, die auf die aufgehängte Tapisserie wirken. Es zeigt sich, daß speziell in Kombination mit einer Schräghängung die besten Ergebnisse ohne Hinterfütterung der Tapisserie erreicht werden können.

Aufgrund dieser Arbeit können deutliche Verbesserungen in der Konservierung der Tapisserien vorgenommen werden. Einerseits kann auf die zeitaufwendige Hinterfütterung der Bildteppiche in vielen Fällen verzichtet werden, andererseits ist durch geeignete Materialwahl des Plattenbezugsstoffes eine deutliche bzw. vollständige Gewichtsentlastung von schräggehängten Tapisserien möglich.

Es konnte auch gezeigt werden, daß trotz der unterschiedlichen Vorgeschichte der Tapisserien und deren inhomogenen Aufbaus dennoch allgemein gültige Aussagen zum Materialverhalten gemacht werden können. Moderne optische Verfahren können für eine breiter angelegte Untersuchung genutzt werden. Speziell die Entwicklung neuartiger Verfahren zur sicheren Erkennung von Gewebeschäden und zur Langzeitüberwachung ergibt sich als wichtiges Ziel weiterer Forschung aus dieser Arbeit.